Bremen - Der Riensberger Friedhof
Statements von Zeitzeugen:

Gerda Engelbracht 
Kulturwissenschaftlerin


An:'MikeWeisser'
Di., 1. Sep. 2020 um 11:22
Hallo Mike,
hier kommt der ausgefüllte Fragebogen.
Wenn du noch weitere Fragen hast melde dich gerne.
Beste Grüße – Gerda

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Betr. Fragen zur Publikation
Der Friedhof Riensberg A-Z

Hallo Gerda –
ich kenne dich als engagierte Kulturwissenschaftlerin und vielfache Buchautorin. Unter anderem hast Du zusammen mit der Kulturwissenschaftlerin Dr. Andrea Hauser ein „Handbuch von A-Z“ zum Riensberger Friedhof herausgegeben, das 2016 in der Edition Falkenberg in Rotenburg erschienen ist. Dazu habe ich einige Fragen und danke vielmals für deine Antworte. Mike

Gerda - Worin lag dein Interesse, über den Riensberger Friedhof in Bremen zu recherchieren? War das erklärte Ziel der Recherchen und Texte von Anfang an ein Buch?

GE: Ich lebe seit 31 Jahren in der Nähe des Riensberger Friedhofs und habe zwischen 2006 und 2015 die Veranstaltungsreihe „Zwischen Himmel und Erde. Musik und Lesungen in der Kapelle Riensberg“ konzipiert und organisiert.
Im Sommer 2012 haben meine damalige Kollegin Dr. Andrea Hauser und ich uns mit Steffen Kunkel (damals Abteilungsleiter für Friedhöfe bei Stadtgrün, heute Umweltbetrieb) zusammengesetzt und überlegt, ein Handbuch zum Riensberger Friedhof zu erstellen. Zunächst haben wir Kontakt zur Edition Temmen, dann zum Hausschild Verlag aufgenommen. Nachdem dieser im August 2013 Insolvenz angemeldet hatte, ist die Publikation 2016 bei der Edition Falkenberg herausgekommen.
In der Zwischenzeit, Ende 2013 kam noch ein Auftrag von der Stiftung Historische Kirchhöfe und Friedhöfe hinzu, Texte für eine App (Wo sie ruhen) zu erstellen. Die App ist im Play Store zu finden.

MW: Hast Du auch an andere Darstellungsformen wie ein Video (z.B. bei YouTube herausgegeben) gedacht, um Informationen über ein Thema zu vermitteln? Oder ging es medial ausschließlich um „das Buch“?

GE: Nein, daran haben wir nicht gedacht.

MW: Hast Du zuerst mit einem Verlag gesprochen, also das Projekt angeboten und dann erst mit der Aufarbeitung begonnen, oder hast Du von dir aus recherchiert, den Text verfasst und das Ganze erst dann einem Verleger vorgestellt?

GE: Wir haben damals einen Vertrag vom Umweltbetrieb bekommen. Der hat sowohl die Kosten für unsere Arbeit als auch die Druckkosten übernommen.

MW: Wie haben die Bremer Verleger auf dein Angebot des Themas „Friedhof“ reagiert?

GE: Die Edition Temmen wollte den Führer nicht drucken, also sind wir zu Hausschild gegangen. Frau Falkenberg, die damals dort arbeitete, hat sich dann selbständig gemacht und das Buch realisiert.

MW: Warum galt dein Interesse dem Riensberger Friedhof und nicht der im gleichen Jahr 1875 in Walle eröffneten Anlage oder dem Friedhof von 1910 in Osterholz? Was machte den Riensberger Friedhof für dich „besonders“ interessant?

GE: Einmal ist es natürlich meine besondere Nähe zum Riensberger Friedhof. Auf der anderen Seite die große Anzahl der dort begrabenen prominenten Bremer*innen und die kunstvoll gestalteten Grabstätten.

MW: Du wirst gemerkt haben, dass die Quellenlage bei diesem Thema sehr dünn ist. Deine Publikation ist die erste ihrer Art und kann nicht auf großartige Vorarbeiten zurückgreifen. Wie bist Du nach dem Studium der knappen Literatur vorgegangen?

GE: Andrea Hauser und ich haben sowohl im Landesamt für Denkmalpflege, aber auch in dem handschriftlichen Manuskript von Harry Schwarzwälder und anderer Literatur recherchiert. Außerdem haben wir auch Kontakt zu Angehörigen aufgenommen.

MW: Was waren deine wichtigsten Quellen?

GE: Die wichtigsten Quellen sind auf den Seiten 174 der Publikation zu finden.

MW: Ein Friedhof ist ein sehr komplexer Ort bei dem es nicht nur um Gräber im Sinn der Kunstgeschichte geht. Hier sind Menschen beerdigt, die eine Geschichte hatten und deren Geschichte mit Familien und der Entwicklung der ganzen Stadt verknüpft sind.
Als studierte Kulturwissenschaftlerin hast Du hier in der Breite gesehen mehr Kompetenz als ein Kunsthistoriker – inwieweit hast Du auf Erfahrungen und Methoden deines Studiums und deiner bisherigen Praxis in der Forschung zurückgreifen können?

GE: Dadurch, dass ich seit vielen Jahrzehnten zu sozialgeschichtlichen Themen arbeite, weiß ich natürlich, wo ich in Bremen derartige Informationen bekomme. Dazu zählt vor allem das Staatsarchiv, die Uni Bibliothek und das Landesamt für Denkmalpflege.

MW: Bei der Nennung deiner Archive hast Du nicht das Archiv des Friedhofs als eigentlich wichtigste Quelle genannt. Welche Erfahrungen hast Du mit diesem Archiv gemacht, in dem alle relevanten Informationen konzentriert sein müssten - wie zum Beispiel der Lageplan von 1895, den ihr im Innencover veröffentlicht habt.

GE: Wir haben nicht im Archiv des Friedhofs recherchiert, sondern die meisten Vorlagen und Informationen von Frau Gerken und Herrn Kunkel bekommen.

MW: Steht das Thema „Friedhof“ in einem Zusammenhang mit anderen Themen, die dich ganz besonders beschäftigen und über die Du schreibst und Vorträge hältst?

GE: Nein

MW: Welchen „Bedarf“ wolltest Du mit Deiner Publikation abdecken? Wolltest Du einen Beitrag zur allgemeinen Sepulkralkultur am konkreten Beispiel der Anlage in Riensberg liefern? Oder ging es dir ganz pragmatisch um einen (touristischen) Führer zur Entdeckung dieses interessanten, geschichtsträchtigen Ortes?

GE: Natürlich ging es uns um beide Themen. Im Vordergrund stand allerdings die Geschichte der dort begrabenen bedeutenden Bremer Persönlichkeiten.

MW: Ist Bremen deine „Heimat“? Hast Du „Heimatgefühle“ im Zusammenhang mit Bremen? Was ist „Heimat“ für dich?

GE: Ja, Bremen ist inzwischen meine Heimat geworden. Ich lebe seit 35 Jahren in der Stadt. Die ersten 20 Jahre habe ich in Warburg (Westfalen) gelebt, dann 10 Jahre in Göttingen.

MW: Im Fall eines Friedhofs stößt man zwangsläufig auf das Problem, dass viele Daten „personenbezogen“ sind und damit einem Schutz unterliegen. Wie bist Du mit dieser sensiblen Frage umgegangen, hat dich dieser Umstand bei der Erforschung oder der Publikation behindert?

GE: Es gab keine Vorgaben für einen personenbezogenen Schutz.

MW: Wie bist Du mit dem Friedhof als „Raum“ in dem Du dich bewegst umgegangen? Hast Du dir zuerst Ziele gesucht und bist diesen dann gefolgt? Oder hast Du Spaziergänge unternommen und erst einmal den Zufall wirken lassen wohin dich dein Weg führt?

GE: Wir haben zunächst Informationen zu den prominenten Bremer Persönlichkeiten recherchiert und uns dann die Gräber angesehen.

MW: Wie hast Du dich auf dem weitläufigen Friedhof orientiert? Hast Du dich erst einmal mit dem Pan der Umweltbehörde vorbereitet? Hattest Du diesen Plan bei deinen Gängen immer dabei? Welche Bedeutung hat der von der Umweltbehörde herausgegebene Lageplan für dich?

GE: Natürlich haben wir uns mit Hilfe des Lageplans orientiert. Aber manchmal war das auch nicht ganz einfach.

MW: Hattest Du besondere Begegnungen mit Menschen auf dem Friedhof? Trauernde? Grabpflegende? Spaziergänger? Touristen?

GE: Nein

MW: Du hast die Fotos zu deinem Buch nicht selber gemacht sondern auf viele Bildgeber zurückgegriffen. Besonders häufig hast Du Fotos vom verstorbenen Worpsweder Fritz Dressler (1937-2019) genutzt, der Professor für Fotografie an der Hochschule für Künste in Bremen war. Weiterhin hast Du auf viele Bilder der Fotografin Sigrid Sternebeck zurückgegriffen. Warum hast Du nicht selber fotografiert?

GE: Weil ich keine gute Fotografin bin und auch keine gute Kamera habe.

MW: Die Abbildungen von Grabsteinen und Grabanlagen in deinem Buch sind nicht sachlich sondern atmosphärisch-emotional. Warum hast Du dieses Stilmittel gewählt?

GE: Wir fanden die Fotos von Fritz Dressler und Sigrid Sternebeck sehr gut.

MW: Nun ist es an der Zeit zu vermerken, dass Du nicht allein als Autorin des Buches zeichnest sondern mit einer Kollegin, nämlich der Kulturwissenschaftlerin Dr. Andrea Hauser gearbeitet hast, die auf die Themen Alltagskultur und Regionalforschung spezialisiert ist. Wie habt ihr euch die Aufgaben geteilt?

GE: Wir haben sowohl die Texte zu den Themen als auch zu den Personen untereinander aufgeteilt.

MW: Du arbeitest freiberuflich. Suchst Du deine Themen nach deinem persönlichen Interesse aus oder brauchst Du einen Auftraggeber der ein konkretes Thema vorgibt?

GE: In der Regel entwickele ich selbst ein Thema und suche mir dann einen Auftraggeber. Im Mittelpunkt meiner Arbeit steht insbesondere das Thema Medizin- und Psychiatriegeschichte, mit dem ich mich schon seit mehr als 30 Jahren auseinandersetze.

MW: Hast Du vor auch andere Friedhöfe in Bremen in ähnlicher Weise zu bearbeiten und vergleichbare Handbücher herauszugeben?

GE: Nein, eher nicht.

MW: Was hättest Du in so einem Fall „gelernt“? Was würdest Du anders machen oder verbessern um den Gebrauchswert zu erhöhen?

GE: Ich finde das Buch ist gut gelungen. Natürlich könnte man auch ein Handbuch zum Waller Friedhof herausbringen.
Übrigens erscheint demnächst in der Edition Falkenberg ein Buch zum 100. Jubiläum des Osterholzer Friedhofs.

MW: Abschließend gefragt... hat der Riensberger Friedhof für Dich eine besondere Bedeutung gewonnen?

GE: Ja, für mich ist er immer wieder ein Ort der Ruhe und Entspannung. Ich bin dort häufig unterwegs. Am liebsten sitze ich auf der Bank am Teich.

MW: Gerda - hab besten Dank für Deine ausführlichen Antworten – ich wünsche eurem Buch weiterhin viel Erfolg. Mike am 13. August 2020.

Siehe: Der Friedhof Riensberg.
Ein Handbuch von A-Z >>> PDF