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DerElefant!
Rede von Erwin Miedtke zur Bremer Buchpremiere
am 9. März 2010 im Wallsaal der Zentralbibliothek Bremen
bei der Vorstellung und Lesung aus dem Buch „DerElefant!“.

Liebe Inge Buck,
lieber Rudolph Bauer,
lieber Michael Weisser,
sehr geehrte Frau Ott,
lieber Herr Mohit, Verleger des sujet-Verlags,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

Ihnen allen ein herzliches Willkommen hier im Wall-Saal unserer Zentralbibliothek.
Mein Name ist Erwin Miedtke und ich begrüße Sie im Namen der Direktion der Stadtbibliothek zu der 462. Buchpremiere - einer Premiere für ein von der Intention, dem künstlerischen Verfahren und der Umsetzung außergewöhnlichem Buch.

Die 3 Hauptautoren, alle sind u. a. sowohl Wissenschaftler als auch Schriftsteller,
Rudolph, Bauer, Inge Buck und Michael Weisser
legen aktuell ihre gemeinsame Publikation unter dem Titel „Der Elefant!“ vor - soeben erschienen im Bremer Sujet-Verlag.

Der Untertitel „ Bilder – Gedichte - Dokumente zum Anti-Kolonialdenkmal in Bremen“ weist klar den Weg zu Inhalt, Gestaltung und Konzeption des Buches, das sich bewusst nicht einfach einordnen lässt in die Kategorien: Sachbuch, Katalog, Dokumentation, Gedichtband, Fotoband – es ist nämlich etwas von allem.

Auch der Begriff der Faction-Literatur trifft nicht ganz, ist aber dennoch ein Hinweis. Er bezeichnet Schriftstücke, in denen Fakten – facts - und Dichtung – fiktion - miteinander vermischt werden, um neue Dimensionen des Aufnehmens, des Verarbeitens sowie der Vermittlung von Information, Gedanken und Erkenntnis anzustoßen.

In diesem Buch kommen zu den historischen und aktuellen Dokumenten zur Kolonialthematik, den thematisch dazu angelegten Gedichten zum Bremer Anti-Kolonialdenkmal „Der Elefant!“von Inge Buck und Rudolph Bauer noch als weitere Dimension die Fotografien vom Elefanten des Medienkünstlers Michael Weissers hinzu, die überhaupt auch der Ausgangspunkt für dieses Werk waren und sich zugleich wie ein roter Faden durch das Werk ziehen.

Die Fotografien wechseln deutlich zwischen der Abbildung und der künstlerischer Detailansicht, die Stimmungen wiedergeben, seriell arbeiten und dem Betrachter unterschiedliche An- und Einsichten vermitteln in das Erleben des Akteurs Michael Weisser, in seine Auseinandersetzug mit dem Elefanten. Eine Auseinandersetzung, die gemäß seinem künstlerischen Credo darauf zielt, Kommunikation zu stiften und Erkenntnisse zu vermitteln. Seine Methodik ist die ästhetische Feldforschung mit medialen Mitteln hier sind es Bild und ganz unterschiedliche Textsorten.
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Und das Buch enthält zudem noch eine besonders erwähnenswerte Lesehilfe; eine sehr schöne Einführung zum Buch und zur Thematik von Dr. Rainer Bessling, Journalist beim Achimer Kreisblatt, die als Einstieg gelesen eine gute Orientierung für dieses vielschichtige Werk geben.

Beim Elefanten, dem steinernen Denkmal hinter dem Bremer Hauptbahnhof und gegenüber dem Hermann-Böse-Gymnasium gelegen, handelt es sich um ein steinernes Zeugnis, um ein öffentliches Erinnerungszeichen, um ein Denkmal, das mit seiner Existenz und Aussage zugleich unsere kulturelle Identität berührt sowie den Umgang mit unbequemen und brisante n Fragen und Wahrheiten.
Gegenstand des Buches „Der Elefant!“ ist die künstlerisch-wissenschaftliche-politische Auseinandersetzung mit diesem „artefact trouvée“ und ordnet sich ein in den Kontext "Kunstaktion als Denkmalkritik“.

Das Buch, die darin enthaltenen Bilder, die speziell dazu von Inge Buck und Rudolph Bauer verfassten Gedichte und die Dokumentation von historischen und aktuellen Materialien sind in Bezugnahme auf dieses Anti-Kolonialdenkmal konzipiert und realisiert worden mit der dankenswerten Unterstützung des Herausgebers - dem Verein „Der Elefant e.V.“ - und unter Förderung der Berenberg Bank sowie der Sozietät Schaefer und Krautwald.
Ich freue mich, dass vom Vereinsvorstand Frau Sabine Ott, die auch stellv. Schulleiterin des Gymnasiums an der Hermann-Böse-Str. ist, gleich zu uns sprechen wird.

Sie alle unterstützen dieses Projekt, dass die Auseinandersetzung mit dem Elefanten dokumentiert durch Reflektion politissicher und zeitgeschichtlicher Ereignisse sowie durch die Erinnerung an Menschen, die gleich auf den beiden ersten Seiten des Buches mit den Zitaten „Unseren Toten“ wie „Allen Getöteten“ sozusagen als Metaebene ins Bewusstsein des Lesers gebracht werden und den Blickwinkel, die Lesart bestimmen.

Ausgangspunkt für dieses Verfahren ist für die Autoren des Bandes als kritisches Moment die Einordnung der gesellschaftlichen und politischen Funktion dieses Denkmals, das unkommentiert heute nur noch ein fragwürdig gewordenes Bauwerk wäre – dagegen wurden kriotische Erinnerungskultur und Antithesen gestellt, um bis heute wirkende hartnäckigen Mythen aufzuzeigen und diese auch in unserer Wahrnehmung zu entlarven.

Dazu finden sich im Buch die entsprechenden Dokumente sowohl vom Verein „Der Elefant e.V.“ als eben auch die von politischen Vertretern, die sich seit vielen Jahren um die Neubewertung der historischen Tatsachen bemüht haben. Enthalten ist auch die Expertise des Bremer Landesamtes für Denkmalpflege zum kulturhistorischen Wert und eben auch der Letter of Intent des Gymnasiums an der Hermann-Böse- Straße, das im Logo den Elefanten hat - als Symbol gegen Kolonialismus hat.

Gemeinsam mit all diesen Stimmen positionieren sich die 3 Hauptautoren Inge Buck, Rudolph Bauer und Michael Weisser mit ihren jeweils speziellen künstlerischen Mitteln gegen die jede kolonialromantische Verklärung der durchaus bis heute unterschwellig wirkenden Ikonen von „Weißen Herren“, „Schwarzen Dienern“ und „Wilden Tieren“ und kommen mit ihren Bildern und Versen zu einer aktuellen Deutung der Geschichte durch eine neue Kontextualisierung und die gezielte Inversion – also der ideologischen Umkehrung – der kolonialgeschichtlichen Intention. Das bedeutet, sich über die Wirkung des Denkmals klar zu werden, über die Kolonialgeschichte Bremens und Deutschlands zu debattieren sowie sich unserer heutigen Verantwortung bewusst zu werden.

Michael Weisser stellt sich in einer ganzheitlichen Betrachtung des Themas mit seinen Fotografien vom Standbild, das er in der Gesamtaufnahme aus ganz verschiedenen Perspektiven zeigt, und den herausgearbeiteten baulichen Details des Monuments sowohl den ästhetischen Momenten - besonderes eindringlich für den Betrachter zu erfahren in den bereits erwähnten seriellen Fotosequenzen – als auch der partiell beschädigten Oberfläche – ich denke hier an die gezeigten Salpeterausscheidungen aus den Mauerfugen, für die Rudolph Bauer dann der Titelzeile seines Gedichts die Worte findet: „elefanten weinen salzige tränen“.
In einem anderen Gedicht titelt er „fallweise operation in übersee“ und stößt so in partizipativer Interaktion mit den Lesern und Leserinnen den Prozess für neue An- und Einsichten an.

Auch Inge Buck fasst das Thema um vieles weiter und um - dichtet den Elefanten mit Verszeilen, die ebenso wie Rudolph Bauer sowohl Variationen des Motivs Elefant als auch die Mehrschichtigkeit der historisch-politischen Dimension aufzeigen. Der Elefant wird bei ihr zum „Wanderer aus Urwelten“ zum Jagd- und Zootier, zum Beobachter, zum steinernen Zeugen, der die schwere Last der Geschichte abwerfen möchte, um „zur Elefantensuite zu tanzen und für seine Brüder in der Steppe um Regen zu bitten“.

Beide Autoren haben sich von den Bildern Michael Weissers zu ihren Gedichten inspirieren lassen und ziehen sprachlich weite Kreise, die sowohl die Geschichte und Politik als auch die Literaturgeschichte berühren, wenn Rudolph Bauer in einem seiner Gedichte ganz wunderbar an Ingeborg Bachmann erinnert.

Wie schon in dem gemeinsamen Werk von Inge Buck und Michael Weisser „Strandgut“ gilt hier auch für Inge Buck und Rudolph Bauer, dass neue Gedichte entstanden sind, weil durch diese Fotografien von Michael Weisser Bilder ins Spiel gekommen sind, für die in der Folge Worte zu Versen gefunden und geformt wurden.
Ich freue mich, dass wir gleich die Gedichte – von den Autoren selbst gelesen - hören werden.

Meine Damen und Herren, vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich wünsche Ihnen einen informativ-unterhaltsamen Abend.

Erwin Miedtke
Bibliotheksdirektor
stellv. Leiter der Stadtbibliothek Bremen


www.MikeWeisser.de Bremen 2010