<<<< zurück

Kiel - Kunstcampus
Ausstellung - Identitäten 2015

Presseinformation:

Medienkünstler, Musikproduzent, Literat, Klangsammler, Archivar und politisch Mitmischender - das klingt verwirrend, ist aber schlüssig : Michael Weisser hat in seinem Künstlerleben vieles erprobt und erfolgreich realisiert. Er arbeitet mit den Medien Bild, Klang und Wort auf der Grenze von analog und digital. Im September kommt er an die Fachhochschule Kiel und präsentiert im Bunker-D die Ausstellung: „ich:meiner:mir:mich – analoge und digitale Identitäten“.
Was verbirgt sich hinter diesem Titel?

Kanzler Klaus Heinze

Eigentlich hatte ihn seine eigene Geschichte nie interessiert. Bis 2008, damals wollte das Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe (ZKM) die Werksammlung von Weisser in seinen Museumsbestand als exemplarisches Beispiel für multimediale Medienkunst übernehmen. Bei hunderten von Kunstwerken ist ein Inventar zur Orientierung unumgänglich. Also programmierte der Künstler eine spezielle Datenbank, in der mittlerweile mehr als 1000 Werke verzeichnet sind.

Um den Hintergrund darzustellen, auf dem seine künstlerisch gestalteten Bilder, Klänge und Worte entstanden, bedürfte es einer chronologischen Biografie und Antworten auf die Frage: "Welche Erlebnisse haben mich in meiner Kunst geprägt".

Nun war Weisser angehalten zurückzublicken. Briefe, Fotos, Presseberichte, Notizen, Skizzen und kleine Objekte der Erinnerung, all die persönlichen Schnipsel seines Lebens, die er nachlässig in Kästen, Schubern und Ordnern abgelegt hatte, warteten auf seine ordnende Hand. Und er fand Gefallen an diesem „langsamen Addieren der Vergangenheit zu so etwas wie einem Lebenslauf“. Er erkannte, wie stark ihn seine Heimat Cuxhaven geprägt hat:

„Ich war immer der Meinung, ich hätte mich von meinem Zuhause entfernt, dort keine richtigen Wurzeln geschlagen, weil ich ziemlich anders war als meine Familie und als die Menschen um mich herum. Vieles war mir unglaublich langweilig, und ich war ständig auf der Suche nach Überraschungen. Ich wollte die Welt entdecken. Aber im Rückblick zeigen meine Kunstthemen, wie Rauschen, Entdecken, Erforschen, Sammeln, Heimat und Landschaft, wie sehr ich mit meiner Heimat Cuxhaven verbunden bin. Bis heute fühle ich mich geprägt von den Erlebnissen auf den Wiesen des Seedeiches, im Watt, am rauschenden Meer unter dem wilden Wolkenhimmel.“

Weisser verfasste eine chronologische Biographie, die er ausdruckte, immer wieder erweiterte und handschriftlich kommentierte – aus drei DIN A4-Seiten wurden acht, schließlich dreißig Blätter. Dieser „Life-Stream“ wird als Dokument der exemplarischen Entwicklung einer Identität nun erstmals im Bunker-D auf dem Campus der Fachhochschule Kiel zu sehen sein.


Auf der Suche nach seiner eigenen Herkunft beschäftigte sich Weisser mit dem schillernden Begriff "Identität", also mit den Kriterien für das, was jeden Menschen besonders macht und ihn sich selbst erkennen lässt. Bilder und Worte zu diesem Thema hatte er bereits durch ein soziokulturelles Projekt im Jahr 2006 gesammelt, als es um „gesICHter“ von Jugendlichen ging. Gefragt wurde: „Wie sehe ich mich? Wie sehen mich die anderen? Wie will ich gesehen werden, und wie inszeniere ich mich?“. Ein spannendes Projekt, schwärmt Weisser: „Es gab einen unglaublichen Zulauf. Ich habe einen Friseur begeistern können, der Stylings gesponsert hat. Das heißt, er hat fünfzehn Teilnehmern die Haare geschnitten, gefärbt und gelegt und sie geschminkt! Da sind überraschend kreative und mutige Inszenierungen entstanden, die ein ganz neues Gefühl für Erscheinung, Wirkung und Identität gegeben haben.“

Als Weisser diese Portraits ausstellt, wird er mit Anfragen überflutet. Auch Erwachsene wollen von ihm portraitiert werden. Angekündigt in der Presse, baut der Künstler sein mobiles Fotostudio mal hier und mal dort auf. Im Lauf der Jahre portraitiert er so mehr als 1.000 Menschen aus allen sozialen Szenen und mit sehr unterschiedlichen kulturellen Hintergründen in mehr als 50.000 Bildern.

„Die Menschen möglichst selbstsicher zu fotografieren war schwierig. Ich habe jeden Teilnehmer einen Fragebogen ausfüllen lassen, in dem es persönlich wurde. Beim Gespräch über die Antworten habe ich fotografiert, und die Statements zu den Fragen "Was mache ich gerade, Was würde ich gerne machen, Was sind meine Stärken und Schwächen" und "Wie sehe ich die Zukunft", habe ich gesammelt und künstlerisch bearbeitet.“

Diese vitalen Zitate und die ästhetisch gestalteten Portraits der analogen Identitäten hat Weisser mit digitalen Identitäten in Form von Pixelclustern kontrastiert. Und alle Bilder dieser beiden Serien sind mit dem Wort "ICH" verbunden. "Die analoge und zunehmend auch die digitale Welt erzeugen einmalige Formen, die identisch mit sich sind und die diese Eigenheit mit ähnlichen Identitäten austauschen."


Der ungewöhnliche Titel "Ich, meiner, mir, mich" zeigt, in welchem wechselnden Verhältnis die Identität zu ihrer Umwelt steht. Der Künstler beschreibt seine Installation mit den Worten: "Das ist keine Ausstellung verschiedener Werke. Es ist vielmehr eine Komposition von Momentaufnahmen an diesem besonderten Ort. Der Besucher ist eingeladen zu sehen, zu hören und zu lesen. Er begegnet Fremdem und kann über sich und seine Stellung zum Fremden nachfühlen und nachdenken. Das Fremde sind Menschen aber es sind auch ganz neue, digitale Identitäten, die jetzt geboren werden".

Die Beschäftigung mit dem Neuen ist Michael Weisser nicht fremd. Ab 1982 veröffentlichte der Suhrkamp Verlag in seiner Phantastischen Bibliothek die Romane "Syn-Code-7" und "DigIt" und folgend der Heyne-Verlag den Roman "Off-Shore" - damit erschloss Weisser über das Medium Wort die digital geprägte Welt von Morgen, in der wir heute leben.

Am Abend der Vernissage können die Gäste einen Blick in diese Visionen des Künstlers werfen. Im Mediendom der Fachhochschule wird eine multimediale Projektion aus seinen Bildern, Klängen und Worten uraufgeführt. „Bunker-Galerie und Mediendom verwirklichen erstmals gemeinsam ein multimediales Gesamtkunstprojekt“, schwärmt FH-Kanzler Klaus-Michael Heinze, der sich für Kultur an der FHS engagiert. „Michael Weisser hat in seinem Suhrkamp-Roman ‚SYNCODE-7‘ schon 1982, also vor 30 Jahren ‚Lasersynphonien‘ als audio-visuelle Inszenierungen beschrieben – in Kuppeln, die unserem Mediendom ähneln. Als ich das entdeckte, wollte ich diese damalige Vision von Weisser in die Gegenwart bringen.“

Präsentiert werden die im Jahr 2002 entstandene Projektion „Syn-Code“ und die neu produzierte Lesung eines Textes, der im Jahr 1983 im Suhrkamp-Almanach „Polaris“ erschien. Den Abschluss des Events bildet die Vorführung einer exklusiv entwickelten Fulldome-Produktion von Ralph Heinsohn, in der die elektronische Musik der Musikformation Software (Mergener/Weisser) mit neuester Technik visualisiert wird. (KB)

Zum Abdruck frei -

<<<< zurück