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Vielfalt - SNACK together!

Rede von Michael Weisser
Zum Empfang der Hochschule Bremen
Seminar und Kunstperformance "Snack-together!" am 31.10.2010 im Atlantic Hotel Airport Bremen.


Sehr geehrte Damen und Herren –
ich möchte versuchen, ihnen einen kurzen Überblick über die Entstehung und über das Ziel des Kunstprojektes "Snack-together!" zu geben.

Ich beginne mit einer Frage:
Haben Sie ihr Leben bewusst gestaltet?

Haben Sie sich Gedanken gemacht:
Wo liegen meine Interessen?
Was möchte ich erreichen?
Wo liegen meine Stärken und meine Schwächen?
An welchen Werten richte ich mein Handeln aus?

Was bedeuten mir Geld, Macht, Spaß, Anerkennung, Liebe, Erkenntnis? Und: Welche Bereiche der Welt möchte ich entdecken und erleben und auf welche Bereiche möchte oder muss ich verzichten?

Haben Sie ihr Leben bewusst gestaltet?

Diese Frage zur Identität war Ausgangspunkt und Ziel eines Kunstprojektes, das ich im Jahr 2006 durchgeführt habe.

"Casting - Dein Film ist Dein Leben!"
war der Titel, Christian Weber, Präsident der Bremischen Bürgerschaft war der Schirmherr und mehr als 100 Jugendliche aus Bremen-Huchting waren die Teilnehmer. >>>

Es ging um die Kern-Frage nach der persönlichen Lebensgestaltung. Es ging um Identität, um Ängste und Hoffnungen, um Visionen und um die Persönlichkeitsmerkmale, also um die "skills", die man braucht, um im Leben bestmöglich nach eigenen Vorstellungen bestehen zu können.
Ich habe die Teilnehmer im Alter zwischen 9 und 23 Jahren ermutigt, auf die Fragen meines Fragebogens zu antwortet. Und sie haben sehr bereitwillig gesagt, was sie im Moment machen, was sie gerne machen würden, wo ihre Stärken und ihre Schwächen liegen und welche Visionen sie haben. Und während des Gesprächs über ihre Antworten habe ich die Gesichter in wechselnder Mimik und Gestik fotografiert. >>>

Dieses interkulturelle Projekt wurde mit Menschen verschiedenster sozialer Szenen, kultureller Hintergründe, physischer Befindlichkeiten, Glaubensbekenntnisse, Berufe, Geschlechter und Altersgruppen an verschiedenen Orten fortgeführt – und zwar in der Zentralbibliothek am Wall, in einem Ladenlokal im Ostertor Steinweg 100, im Kulturbunker F38 in Schwachhausen und in der Allgemeinen Berufsschule in Bremen Walle.

Über die Orte erkennen sie die Szenen.

Dauer: vier Jahre.
Erfasste Menschen: mehr als 1000.
Anzahl der Portraitfotos: mehr als 50.000.
Archivierte Bilder für Ausstellungen: ca. 3.000.

Im Wallsaal der Zentralbibliothek erinnert eine großformatige Installation von rund 850 Portraits an dieses Werk.

Was war das Ergebnis?
Lebendige Fotosequenzen, vitale Zitate und konkrete Erfahrungen, die ich mit Menschen machen dürfte.

Warum erzähle ich ihnen dies nach dem Genuss von drei farbigen Cocktails in den drei Primärfarben Gelb/Rot/Blau, inmitten von fünfzehn kulinarischen Bildkompositionen, einer laufenden Videosequenz, schmackhaften Snacks, Getränken und Gesprächen?

Unser Thema des Abends ist VIELFALT.

Im Verlauf der Werkserie "gesICHter der Stadt" habe ich lebendige Vielfalt erlebt, habe hautnah erfahren, dass es viele unterschiedliche Wege gibt, Leben zu leben, die Welt zu sehen, Werte zu setzen – also das Leben zu gestalten. >>>

Ich habe Vielfalt pur erlebt und mir wurde deutlich, dass so eine Vielfalt nur durch Toleranz erhalten und gefördert werden kann. Vielfalt und Toleranz – darauf bin ich in allen Foto-Sessions immer wieder gestossen - sind Voraussetzung für die Entwicklung einer weiteren Qualität, zu der man sich als Künstler besonders hingezogen fühlt, nämlich zur Kreativität.

Kreativität ist nicht von den Schönen Künsten gepachtet, sie wird vielmehr zur großen, gestaltenden Kraft sozialer, technologischer, ästhetischer und auch ökonomischer Anforderungen. In einer Welt zunehmend begrenzter Ressourcen ist Kreativität eine nachwachsende "Qualität" - soweit man dieser Kraft den Humus "Bildung" zum Wachstum bietet.

Kreativität, verbunden mit dem Mut zu einer anderen Sicht, mit der Intuition zur Entdeckung des Neuen, mit der Ausdauer zur Erforschung und Durchsetzung und mit dem Willen zur Veränderung ist die gestaltende Kraft der Zukunft - hoffentlich zum Wohl der Menschen.

Vielfalt, Toleranz und Kreativität - waren auch die Stichworte, unter denen ich im Jahr 2008 das Konzept für die neue Nutzung des Elefanten entworfen habe - für jenes historische Backsteinmonument, das 1932 als Reichskolonial-Ehrenmal hinter dem Bremer Bahnhof eingeweiht wurde. >>>

Die Umwidmung dieses Monuments zu einem "Ort der Vielfalt in Zukunft" hat die im Mai 2008 gegründete Bürgerinitiative "DerElefant!" als gemeinnütziger Verein für Vielfalt, Toleranz und Kreativität übernommen. >>>

Auf dem Hintergrund meiner Projekte zur VIELFALT ist vermutlich die Entscheidung zu sehen, weshalb die Hochschule Bremen das Interesse und auch den Mut hatte, mich mit der Entwicklung einer künstlerischen Performance zu beauftragen, bei der ich zusammen mit international Studierenden der Frage nachging, wie lässt sich interkulturelle Vielfalt erfahrbar machen und wie lässt sie sich medial darstellen.

Die Vielfalt des SNACK...

Es geht um den kleinen, mundgerecht portionierten, landesspezifisch gewürzten Appetithappen, wie sie ihn heute Abend in globalen 10 Variationen serviert bekommen.

Über die landestypischen Snacks sprechen, diese gemeinsam kochen und in der Runde probieren, sich austauschen über Gewohnheiten, Vorlieben, Rituale, Tabus und Erinnerungen macht die Vielfalt der Kulturen hautnah erlebbar, und dieses gemeinsame Erleben fördert Verständnis für Unterschiede.

Ja - Unterschiede werden durchaus als Bereicherung empfunden! Das Seminar mit den international Studierenden an der Hochschule Bremen war ein Prozess, bei dem Bildung und Kunst gemeinsam in einer Pfanne schmoren! Es ging um Koch-Kunst und um Kunst-Kunst!

Einige Worte zur Kunst:

Kunst vermittelt die überaus persönliche Sicht der Welt. Sie erweitert gewöhnlich nicht das Wissen durch Forschung, sondern sie erweitert Gefühl und Intellekt durch Anteilnahme.

Der interkulturelle Prozess "SNACK together!" bot so eine Anteilnahme, an einer kulinarischen Performance durch gemeinsames Handeln, Erleben und Reflektieren.

Nun könnte man fragen:
Was soll Kunst an der Hochschule Bremen, wo es hier doch eher um ein Angebot von Bildung und Wissen geht, also um Wissenschaft, die Wissen schafft.

Kunst bedient sich nach der Erkenntnistheorie weder der Induktion als Schluss auf eine Theorie noch geht sie von einer Theorie aus und deduziert folgend schrittweise durch Kritik.

Gleichwohl haben Kunst und Wissenschaft eine Schnittmenge. Es sind beides Methoden, die Welt zu erfahren, sie zu beobachten, sie zu analysieren, sie zu interpretieren, sie modellhaft darzustellen, sie zu begreifen und über Medien im sozialen Kontext zu kommunizieren.

Wissenschaftlern und Künstlern geht es in gleicher Weise um den Versuch einer vorsichtigen Annäherung an das, was die Welt und damit uns selbst im Inneren zusammenhält.

Mein persönliches Facit:

Kunst - ist Energie in ihrer schönsten Form.
Und Vielfalt - ist der Kosmos aller Formen.


Vielfalt gezielt zu fördern muss ein wichtiges Anliegen von Bildung, Politik und Wirtschaft sein, weil in der Vielfalt und in der kreativen Kombinatorik viele Schlüssel zur Lösung anstehender Probleme liegen.
Kunst in der Vielfalt seiner Formen, Farben, Kompositionen, Themen, Kontrasten und Widersprüchen, bereichert das Leben und verweist auf verschiedene Dimensionen des Seins.

Die 15 großformatigen Bilder, die diesen Raum heute Abend gestalten, sind keine Dokumentation der Seminararbeit. Es sind zum Teil extreme Details, die einen Einblick geben in die unbekannten Strukturen, die unserem Alltag unterliegen.

Die Bilder und auch der Film, der auf dem großen Bildschirm abläuft, sind eigenständige Werke in Farbe, Form, Komposition und Thema.
Zugleich stehen sie als Anregung, genauer hinzusehen und einen steten Wechsel von Detail und Totale vorzunehmen, um notwendige Orientierung zu gewinnen.

Das haben die Studierenden in unserem Koch-, Foto- und Diskussions- Seminar gelernt. Und es hat Spaß gemacht. Jeder brachte sein landestypisches Snack-Rezept ein, jeder hat sein Rezept hier im Blixx- Restaurant gekocht, alle haben probiert und danach lebhaft diskutiert.

Die Ergebnisse des Seminars sind in einer 64-seitigen, farbigen Publikation "Snack together!" zusammengefasst. Lassen Sie sich überraschen von diesem Werk, bei dem ich den Versuch gemacht habe, Schönheit und Gebrauchswert in eine Symbiose zu bringen. >>>

Sie finden Anregungen zur interkulturellen Vielfalt von der Hochulleitung, spannende Hinweise der Studierenden zu den verschiedenen Esskulturen, Rezepte zum Nachkochen und sie finden Bilder die vermitteln, dass die ganze Performance eine ergebnisreiche Mischung von Kunst und Leben, Spaß und Erkenntnis, Bildung und Business und auch echter Arbeit war.

Ich bedanke mich bei den 24 Studenten aus 17 Ländern, ich bedanke mich weiterhin bei der Hochschule Bremen, bei der Wolfgang Ritter Stiftung, bei den Profis vom Atlantic-Hotel und dem Blixx-Restaurant, dabei insbesondere beim Chefkoch Jörg Horstmann und seinem Team, der unsere Snack-Ideen heute Abend für sie professionell umgesetzt hat.

... und ich danke ihnen meine Damen und Herren für ihre freundliche
Aufmerksamkeit... und guten Appetit


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