<<< zur Übersicht

Ästhetische Feldforschung zur Kirche St. Peter und Paul in Cappel im Landkreis Cuxhaven.
Ein Kunstprojekt von Michael Weisser.


Die Kirche St. Peter- und- Paul in Cappel nahe Dorum wurde im 13. Jahrhundert gegründet und steht mitten im Dorf auf einer Wurt. Ihr äußeres Erkennungszeichen ist der charakteristische Zwiebel-Turm.
Cappel ist eines der neun mittelalterlichen Kirchspiele des alten Landes Wursten. Der Name leitet sich von der Bezeichnung Terra Wursatia ab - übersetzt: Land der Wurtsassen.
Bevor es die durchgehende, hohe Deichlinie gab, siedelten die einzelnen bäuerlichen Familiengemeinschaften auf aufgeworfenen Erderhöhungen, den sogenannten Wurten.
Die Kirche in Cappel wurde (vermutlich Ende des 12. Jahrhunderts) auf einer solchenWurt als Kapelle gegründet. Daher stammt der Ortsname, der im Mittelalter Utcapella lautete. Erst im Jahr 1304 wird der Kirchort erstmals urkundlich bezeugt.

Das jetzige Kirchengebäude stammt aus dem Jahr 1815. Nach einem Brand, der im Dezember 1810  die mittelalterliche Kirche mit dem gesamten, reich geschnitzten Inventar des 16. und 17. Jahrhunderts und der von Johann Georg Wilhelm Wilhelmy 1800/01 erbauten Orgel zerstört hatte, wurde wieder auf den alten Grundmauern neu errichtet.
Erst nach Ende der französischen Herrschaft 1814 konnte die Gemeinde an einen Wiederaufbau denken. In wirtschaftlich schwieriger Zeit bewältigte man im bescheidenen Maß den Wiederaufbau, nachdem man 5 Jahre ohne Gotteshaus auskommen musste.
Bereits 1815/16 entstand eine neue Kirche als klassizistisch schlichter Saalbau, in dem die ursprünglich für die Hamburger Klosterkirche St. Johannis erbaute Schnitger-Orgel auf der Empore den räumlichen Dimensionen angepasst wurde.



Lediglich der östliche Wand- und Sockelbereich besteht aus Findlings- und Bruchsteinsteinmauerwerk. Das Mauerwerk war ursprünglich verputzt. Alle alten Baumaterialien wurden aus Kostengründen wieder verwendet. Vier große Eisenanker markieren am Ostgiebel das Jahr des Wiederaufbaus 1815.



Die beiden Längswände haben die romanische Baugestaltung weitgehend behalten. Über dem Sockel erhebt sich ein sauber gefugtes Mauerwerk aus Sandsteinquadern. Am Wechsel von Schichten aus Backsteinen und wiederverwendeten Sandsteinen sind die Reparaturen des Wiederaufbaus erkennbar. Auch wurden die Fensteröffnungen in ihrer Lage und Größe verändert.



Die flachen Korbbögen der Fenster sind ebenfalls im Wechsel von Werk- und Backsteinen gemauert.



Der quadratische Turm wurde im 15. Jahrhundert aus Backstein errichtet. In den politisch und militärisch instabilen Zeiten ersetzte der massive Turm einen kleineren hölzernen Glockenstuhl.
Der ursprünglich eingewölbte Raum im Erdgeschoss, der architektonisch durch Blendnischen gegliedert war, besaß eine weite Öffnung zum Kirchenschiff. Eine im Mauerwerk eingebaute Wendeltreppe führte in den oberen Raum, der ebenfalls eine Öffnung zum Kirchenschiff besaß. Das Mauerwerk zeigt Spuren verschiedener Instandsetzungen. 1790 musste die gesamte Westwand erneuert werden, weil der Baugrund auf den steilen Wurten unsicher geworden ist.
Damals erhielt der Turm seine jetzige, aus einer Pyramide achteckig verjüngte, mit Holzschindeln gedeckte Spitze mit dem für das Land Wursten charakteristischen Wulst im unteren Drittel. Die Turmspitze wird von einer goldenen Krone mit Wetterfahne geziert.
Der Turm mit seinen kleinen Fensterschlitzen zeigt deutlich Wehrcharakter und diente in frühen Zeiten als Seezeichen.



Die Westseite des Glockenturms ist durch zwei Jahreszahlen geprägt. 1790 wurde die Kirche um den ausgebauten Turm erweitert und 1936 wurde der Turm restauriert.
Im Gebälk des alten Glockenstuhls hängen zwei historisch wertvolle Bronzeglocken aus dem 16. Jahrhundert.
Die kleinere Glocke wurde 1519 von Hinrich Kock gegossen. Die zweizeilige umlaufende gotische Minuskelinschrift nennt den Namen der Glocke: "Anna" und die Nikolaus-Bruderschaft zu Cappel als Auftraggeber.
Die größere Glocke ist mit manieristischen Renaissance-Ornamenten und vier Arabeskenmedaillons verziert. Sie wurde 1539 von Petrus van den Ghein aus Mecheln gegossen.
2015 wurden beide Glocken aufwändig restauriert, die entfernten Kronenbügel rekonstruiert und an hölzernen Glockenjochen befestigt. So hat das Zweiergeläut seine schöne ursprüngliche Klangfülle wiedererlangt.




Zum Inneren der Kirche: LINK
und darin zur Arp Schnitger Orgel: LINK

Die Orgel gilt heute als eines der am besten erhaltenen Instrumente Schnitgers mit einer unveränderten Intonation.



Der markante Westturm mit seiner typischen Zwiebelform.



Um das Jahr 1880 ist die lange Lindenallee von der damaligen, ortsansässigen Gärtnerei Riehl angepflanzt worden. Doppelreihig wuchsen die Lindenbäume heran und säumten einen schmalen Weg bis zur Kirche. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges fielen die Außenreihen der akuten Brennholznot zum Opfer.
Übrig blieben 168 Linden, die den schmalen Weg und den Kirchhof säumen. Die Allee ist heute ein eingetragenes Naturdenkmal und wird vom Verein „Kulturerbe Dorfwurt Cappel“ gepflegt.
Der Erzähltradition nach ließ der damalige Pastor von Hanffstengel die Allee anlegen. Gefragt, warum die Gemeindemitglieder so wenig den Gottesdienst besuchten erhielt er zur Antwort, dass es an der Kirche zu wenig Anbindemöglichkeiten für die Pferde gäbe. Um dem abzuhelfen, ließ er die Allee anpflanzen.

Auch literarisch hat diese Allee der rund 140 Jahre alten Linden ein Denkmal erhalten. 1937 veröffentliche der Schriftsteller Otto Freiherr von Taube (1879-1973)  in seinem Band „Wanderlieder und andere Lieder“ das Gedicht:

Im Baumgang der Cappeler Kirche

dort lautet die 1. Strophe:

In den dichten Gang der Linden schrägt
lindes Abendlicht vom Himmelssaume,
linde flüstert, abendluftbewegt,
jeder Baum mit seinem Nebenbaume.

Siehe: Kirchenführer Cappel
Dr. Dietrich Diederichs-Gottschalk, Padingbüttel im Februar 2016


>>>> Übersicht:

Die Kirche in Cappel: LINK

Innenansichten der Kirche: LINK

Die Arp Schnitger Orgel: LINK

Klangbeispiele der Arp Schnitger Orgel: LINK

Die Glocken der Kirche: LINK

Der Friedhof der Kirche: LINK

Dokumente zu Kirche und Orgel: LINK

Intermediale Forschung: LINK

Ästhetische Feldforschung: LINK

>>>